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Freitag, 31. Dezember 2004

Jahreswechsel

Neujahrslied
Johann Peter Hebel, 1760-1820
vertont von Felix Mendelsohn-Bartholdy, 1809-1847
Mit der Freude zieht der Schmerz
Traulich durch die Zeiten,
Schwere Stürme, milde Weste,
Bange Sorgen, frohe Feste
Wandeln sich zur Seiten.


Und wo manche Träne fällt,
Blüht auch manche Rose!
Schon gemischt, noch eh' wir's bitten,
Ist für Throne und für Hütten
Schmerz und Lust im Lose.
War's nicht so im alten Jahr?
Wird's im neuen enden?
Sonnen wallen auf und nieder,
Wolken geh'n und kommen wieder,
Und kein Wunsch wird's wenden.


Gebe denn, der über uns
Wägt mit rechter Waage,
Jedem Sinn für seine Freuden,
Jedem Mut für seine Leiden
In die neuen Tage!
Silvester, jedes Jahr eine Zeit des Rückblicks auf das alte Jahr und des Blick auf das, was uns im neuen Jahr erwartet. So, wie es J. P. Hebel in seinem "Neujahrslied" beschreibt, wird mancher das vergangene Jahr in Erinnerung behalten, ein Wechselbad zwischen Glück und Leid, zwischen Freude und Ärger, zwischen tiefer Enttäuschung und freudiger Überraschung. Manche Bilder bleiben unauslöschlich in Gedächtnis, ob im positiven oder im negativen Sinne. Ich habe aber verstärkt den Eindruck, dass wir immer mehr die negativen Seiten beklagen und vieles schon als selbverständlich ansehen, was eigentlich gar nicht so selbverständlich ist. Natürlich ist zum Beispiel der Verlust des Arbeitsplatzes mit wenig Hoffnung auf eine neue Stelle ein großer Schicksalsschlag, den man erst dann richtig beurteilen kann, wenn man selbst in ähnliche Lage gerät. Natürlich gerät nicht nur der direkt Betroffene in Wut, wenn Konzerngiganten, große Unternehmen und Banken ihre treu schaffenden Arbeiter und Angestellte einfach so entlassen, nur mit dem Ziel ihre Gewinne zu vervielfachen, gleichzeitig aber Top-Managern Abfindungen in zweistelligen Millionenhöhen hinterherwerfen. Natürlich ist es unverschämt, wenn Politiker einfach so neben ihren gutdotierten Partei- oder Regierungposten noch stattliche Summen als Scheinarbeiter von Firmen kassieren. Das sind alles Auswüchse einer immer egoistischer, unmenschlicher werdenden Gesellschaft. Andererseits aber, worüber klagen wir denn vielfach? Beklagen wir uns nicht auch immer mehr über Dinge, die unsere unmittelbaren Vorfahren noch als Luxus ansahen? Beklagen wir uns nicht immer häufiger über weniger sprudelnde Finanzquellen, über geringere Zweit- oder Dritteinkünfte neben einem festen Gehalt oder Versorgungsansprüchen? Vergißt nicht mancher zum Beispiel bei einer Aussage wie "In diesem Jahr muss ich auf meinen Ski-Urlaub verzichten", dass Menschen in anderen Regionen der Erde täglich nur um eine Scheibe Brot für Familie und Kinder regelrecht kämpfen müssen, dass sogar Millionen von Kindern jährlich Hungers sterben, dass in vielen Kriegsgebieten Menschen ständig um das eigene Leben und das von Kindern und der Familie fürchten müssen. Klagen wir nicht auf einem sehr, sehr hohem Niveau? Tausende von Urlaubern aus unseren Wohlstandsgesellschaften, wahrscheinlich waren es schon tausende alleine aus Deutschland, wurden in ihrem selbstgewählten, weihnachtlichen Urlaubsparadies Südostasiens von einer Sekunde auf die andere in die Hölle einer nicht zu bändigenden Natur katapuliert. Brauchen wir ein persönliches Erleben solcher Katastrophen, um wieder einmal auf den Boden der Realität geholt zu werden? Denn ich bin überzeugt, viele, die dieser Hölle lebend entkommen sind, sehen Vieles plötzlich mit ganz anderen Augen. Sollten wir nicht in erster Linie dankbar sein für ein menschwürdiges Leben, das wir bei uns doch in den meisten Fällen leben dürfen? Sollten wir nicht auch hier in Floisdorf bei allen möglichen alltäglichen Querelen für ein harmonisches, friedliches Miteinander dankbar sein? Ein Miteinander, dass wir sicherlich noch verbessern könnten, wenn der eigene Vorteil, die eigene Meinung, das eigene "Ich" nicht immer so ganz weit oben, manchmal vielleicht sogar weit über allem anderen auf der Prioritätenliste stehen würde. Ausdrücklich möchte ich am Jahresende deshalb auch wieder allen danken, die sich für die dörfliche Gemeinschaft eingesetzt und gearbeitet haben, im Sinnen meiner obigen "Predigt" besonders natürlich denen, die dies tun auch ohne dafür Dank oder zusätzliches Entgelt zu erwarten. Stellvertretend möchte ich (entgegen bisheriger Gepflogenheiten) einen Namen nennen, dem so glaube ich besonders Floisdorf danken darf. Der Dank gilt Herrn Pfarrer Kraus, der jetzt seit etwas mehr als einem Jahr sein Schaffen im "Ruhestand" in den Dienst der Pfarrgemeinden unseres Dekanates stellt und dessen liebenswürdige Art besonders seinem neuen Wohnort Floisdorf zugute kommt. Ich möchte schließen, wie ich begonnen habe mit einem Vers aus J. P. Hebels Neujahrslied:
Gebe denn, der über uns
Wägt mit rechter Waage,
Jedem Sinn für seine Freuden,
Jedem Mut für seine Leiden
In die neuen Tage!
und das in alle 365 Tage des neuen Jahres. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein gutes, erfolgreiches Neue Jahr 2005 und vor allen Dingen Gesundheit und Zufriedenheit.
Euer Johannes Inden

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